Einträge zum Stichwort "Hoax"

Polnischer Werbegag macht wasserscheu

1. September 2004

polnischer WerbegagBürgermeister Zdzislaw Lesiecki hat es die Sprache verschlagen. Als er Anfang Juli durch sein Ostsee-Städtchen Ustka fährt, prallt er förmlich ab an riesiegen Plakaten, auf den es heißt: Fahrt nicht an die See!

Zeitgleich fallen den Badegästen von Ustka am Strand die Schlappen aus der Hand: Gefahrenzone und Ansteckungsgefahr warnen Schilder an den Dünen. Bürgermeister Lesiecki kann es eigentlich immer noch nicht richtig glauben: “Gefahrenzone – ich habe diese Tafel vor Augen, und dann 50 Meter weiter vor dem Strand, die Warnung, dass es zu einer Ansteckung kommen kann. Menschen, die grade zum Strand gehen, empfinden das als sehr negativ. Sie wissen nicht, ob dort vielleicht das Wasser verseucht ist – vielleicht ist da ja was dran…”

Warnungen vor allen Urlaubsgebieten in Polen

Was Bürgermeister Lesiecki zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen konnte: Überall in Polen wurde an diesem Vormittag vor möglichen Gefahren gewarnt. “Fahrt nicht in die Berge! “Fahrt nicht in die Masuren” – so vermiesten Plakate den Urlaub.

Die Zeit verging, bis sich der polnische Mobilfunkbetreiber Heyah als Urheber der Werbekampagne zu erkennen gab. Bürgermeister Lesiecki haben dessen Argumente nicht überzeugt:

“Man hat erklärt, dass die Aktion auf die Phantasie wirken soll.Sie soll zum Denken zwingen! Mag ja sein, aber ich habe das negativ empfunden. Wir können doch nicht davon ausgehen, dass einer, der die Werbung ‘Fahr nicht an die Ostsee’ sieht, genau deshalb hinfährt, um nachzuschauen, was dort los ist. Nein, das ist nicht der Weg!”

Seitdem liegen sich Ostsee-Kommune und die Mobilfunkfirma Heyah schwer in den Haaren. “Wir haben bei der Staatsanwaltschaft eine Klage eingereicht, aber wir auch schon die Antwort bekommen, dass es nach Meinung der Justiz, kein Verbrechen ist, auf diese Art zu werben”, berichte Lesiecki. Aber geschlagen geben will er sich noch nicht: “Ich denke, es hat messbare Schäden gegeben und ich höre, dass einige Unternehmen Heya ihre Verluste in Rechnung stellen wollen. Und wenn jemand einen wirtschaftslichen Schaden nachweisen kann, wird es in jedem Fall zum Prozess kommen.”

Bei Heyah schüttelt man sich dagegen vor Lachen. Ob guter oder schlechter Werbe-Gag – Heyah ist in aller Munde. Und möglichen Schadensersatzforderungen einiger Hotelbetreiber aus Ustka sieht der Mobilfunker gelassen entgegen. Phantasievoll, wie bei der eigenen Werbung verweist man ganz einfach auf das schlechte Wetter.

Bevölkerung folgte brav der Warnung

Auch die Bevölkerung in den diversen Ostseebädern, in denen die Aktion stattgefunden hat, war von den Socken. Weniger, weil man durch den Spruch “Fahrt nicht an die Ostsee!” irritiert war. An der Ostsee war man ja schließlich zu Hause. Sondern vielmehr, weil die Schilder in Strandnähe von einer Ansteckungssgefahr warnten. Zeitgleich war in den Medien – natürlich rein zufällig – über eine drohende Masernepedemie berichtet worden. Und da schloss sich für viele der Kreis. In Polen ist die Bevölkerung nach der kommunistischen Diktatur immer noch sehr obrigkeitshörig. Eine vermeintliche Warnung wird da sehr schnell als wirkliche Warnung betrachtet – und, im Gegensatz zu Deutschland, auch berücksichtigt.

Die Ortsverwaltungen haben übrigens zügig reagiert: Die Bürgermeister waren zum Teil selbst unterwegs, um die Schilder einzusammeln. Da war noch nicht einmal klar, wer hinter der Aktion stehen würde. Bewiesen war nur, das sich niemand die amtliche Genehmigung für das Aufstellen der Schilder geholt hatte. Also war die Aktion illegal und die Bürokratie hat postwendend zurückgeschlagen.

Die Sache mit der Klage blieb allerdings bis heute eine leere Drohung. Dem Hotelbesitzer will es einfach nicht gelingen, die “Heyah”-Schilder für ausbleibende Touristenströme verantwortlich zu machen. Das Problem: Zufällig war die Aktion nicht gerade an den heißesten Tagen des Jahres gestartet worden. Und die Vermutung liegt nahe, dass auch die polnischen Richter bei einer Klage über wirtschaftliche Verluste mit dem Schuldfinger zuerst auf das Wetter zeigen würden.

Alligatorenwrestling gegen die Burger-Pfunde

6. August 2004

Dr. Angus DiätVirale Kampagne von “Burger King” setzt auf Diätwahn-Parodie

Wer ist der Feind der Burger-Brater? Genau, die Diätdoktoren, die noch eine zweite Villa im Tessin für die Freundin brauchen. Und was darf Satire? Meist weniger, als gut ist, aber auf jeden Fall irritieren.

Jedenfalls hat es Burger King jetzt mit den Joggern, Wohnzimmerradlern, Blutprobenanalytikern und Pillenschluckern aufgenommen. Man schlägt mit Satire zurück. Aua.

Heiratsinstitut? Tipps zur Haushaltsführung? Nein, “Wie werde ich reich mit Fastfood”!

Auf Angusdiet.com preist Dr. Angus (der britische Komiker Harry Enfield) seine ganz besondere Diät an: den neuen Burger der We-do-it-like-you-do-it-Kette aus Angus-Rind.

“Ich bin, weil ich esse”…

“Wenn Sie essen, ist das eine Diät. Eine Diät ist, was Sie essen.” und “Das ist wahr, weil ich Ihnen gesagt habe, dass es wahr ist.” informiert der Text in der schwindelerregenden, aber ungemein erfolgreichen Logik von Gurus, die versuchen, per Hypnose ein paar Nullen an den Betrag auf ihrem Bankkonto dran zu pappen oder grade dabei sind ihre Rolls-Royce-Sammlung aufzustocken.

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Ganzen Artikel lesen auf Telepolis.de unter http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/glosse/18040/1.html

Die Wahrheit ist eine Bedrohung

9. März 2004

Die “Yes Men” über Blutegel, Identitätskorrektur, eindeutige und zweideutige Parodie, Freedom Camps und Bösewichte

Da hatten sich zwei gesucht und gefunden: Schon unabhängig voneinander hatten sie subtile Verunsicherungen in unsere Welt getragen, hatten mit Humor der vertrauten Realität ein bisserl ans Bein gepinkelt. Andy Bichlbaum hat, damals Angestellter von Maxis, im Auftrag von Rtmark dafür gesorgt, dass bei dem Computerspiel SimCopter zu gewissen Zeiten sich die virtuellen Passanten der simulierten Welt in schwule Bodybuilder verwandeln. Mike Bonanno hat mit der Barbie Liberation Organization sprechende Barbie- und G.I.Joe- Puppen gekauft, deren Voiceboxes ausgestauscht, und das Spielzeug mittels – wie sie es nannten – “shopgiving” wieder in den Handel gebracht, so dass die Kleinen unter dem Weihnachtsbaum dann Plastiksoldaten hatten, die “I wanna go shopping with you!” quiekten oder Miniatur-Blondinen, die knurrten, dass ein Toter keine Geschichten mehr erzähle.

Als sie sich schließlich kennen gelernt hatten, wendeten sie ihre kreative, subversive Energie dem Internet zu: Erste Aufmerksamkeit erregten sie mit einer gefakten Homepage von George W. Bush. Und dann sicherten sie sich den Domainnamen GATT und errichteten dort (“GATT” war die Grundlage der World Trade Organisation) eine gefälschte Seite der WTO – die so überzeugend gelungen war, dass bald erste ernsthafte Anfragen an die WTO per Mail eintrafen.

Bichlbaum und Bonanno – sich als Team The Yes Men nennend – nutzten die Gelegenheit: Bald vertraten sie nicht nur im virtuellen Raum die WTO, sondern nahmen auch Einladungen zu Kongressen in deren Namen an oder stellten Interviewpartner für Fernseh-Diskussionen. Nach einem eher zaghaften Debut bei einer Konferenz in Salzburg merkten sie bald, dass der Schwindel nicht wie erwartet sofort auffliegen würde, sobald sie gewisse WTO-Geisteshaltungen ins Karikaturhafte krass übersteigert zum Besten gaben. Also wurden ihre Auftritte immer gewagter und bizarrer: Sie stellten (“The Future of Textiles”) goldene Freizeitanzüge für Manager vor, mit einem aufblasbaren Riesenphallus, an dessen Spitze ein Monitor die Überwachung der in irgendwelchen weit entfernten Billiglohnländern schuftenden Arbeiter erlaubt.

Sie präsentierten ein Projekt, die Fäkalien der westlichen Industrienationen zu McDonald’s-Burgern zweiter Generation für die Hungerregionen zu recyclen. Und sie verkündeten schließlich sogar die Selbstauflösung der WTO an die Weltpresse. Nun haben Chris Smith, Dan Ollman und Sarah Price eine Dokumentation über The Yes Men gedreht, die auf der diesjährigen Berlinale einem weitgehend begeisterten Publikum vorgestellt wurde. Dort traf Telepolis-Autor Thomas Willmann, Andy Bichlbaum und Mike Bonanno zum Gespräch.

Zum vollständigen Artikel mit Interview auf Telepolis.de unter http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/co/16863/1.html